13. September 2024 Tagung/Konferenz Erinnern versammeln

Praktiken für die Zukünfte einer Gesellschaft der Vielen

Information

Veranstaltungsort

Weltecho
Annaberger Straße 24
09111 Chemnitz

Zeit

13.09.2024, 19:00 - 15.09.2024, 15:00 Uhr

Themenbereiche

Deutsche / Europäische Geschichte, Erinnerungspolitik / Antifaschismus, Neonazismus / Rassismus, Migration / Flucht

Zugeordnete Dateien

Erinnern versammeln

Eine Veranstaltung von Offener Prozess - NSU Aufarbeitung in Sachsen, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen und Versammeln antirassistischer Kämpfe.

Gemeinsam laden wir Aufarbeitungs-, Gedenk- und Betroffeneninitiativen zu einem Austausch ein und fragen uns: Wo steht unsere Erinnerungs- und Bildungsarbeit? Wo sind die Lücken in unserer Arbeit und wo können wir uns und andere in der lokalen Arbeit besser unterstützen? Welche Rolle können dabei Archivierungspraktiken spielen und wie verändert und wandelt sich Erinnern angesichts verschiedener politischer Entwicklungen?

Wir sind in einer politischen Zeitenwende, wie die anstehenden Landtagswahlen in den neuen Bundesländern erneut verdeutlichen werden. Deswegen wollen wir uns in Chemnitz treffen, an dem Ort, an dem das Gedenken an den NSU Komplex durch das entstehende Pilot-Dokumentationszentrum erstmals institutionalisiert wird. Erinnerungspolitische Kämpfe werden nach jahrzehntelanger Recherche und Erinnerungsarbeit von Betroffenen neu zwischen Zivilgesellschaft und Institutionen ausgehandelt. Wie gestaltet sich unser Gedenken und Erinnern heute, was sind Herausforderungen und was braucht es um vergangene, gegenwärtige und zukünftige Kämpfe zu stärken? In Chemnitz wollen wir zusammenkommen und uns gemeinsam zu diesen Fragen austauschen und vernetzen.
 

Zur Anmeldung

Programm

Freitag, 13. September 2024     

**17:00 - 18:00 Uhr**, Weltecho
Ankommen

**18:00-21:30 Uhr**, Weltecho, Club
Erinnern Versammeln: Auftakt zum Symposium mit künstlerischen Beiträgen und anschließender Diskussion
Der Auftakt des Symposiums «Erinnern versammeln – Praktiken für die Zukünfte einer Gesellschaft der Vielen» lädt sowohl Aufarbeitungs-, Gedenk- und Refugees-Initiativen als auch die interessierte Öffentlichkeit zum Austausch ein. Im Fokus stehen die erinnerungspolitischen Kämpfe, die nach jahrzehntelanger Recherche- und Erinnerungsarbeit von Betroffenen neu zwischen Zivilgesellschaft und Institutionen ausgehandelt werden. Mit der Entwicklung des NSU-Dokumentationszentrums in Chemnitz stellen sich die Fragen: Wie gestaltet sich unser Gedenken und Erinnern heute? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus, und was ist nötig, um vergangene, gegenwärtige und zukünftige Kämpfe zu stärken?
«Erinnern versammeln» bedeutet für uns, danach zu suchen, was und wer fehlt, und darüber mit denen zu sprechen, die seit Jahren und Jahrzehnten Teil der erinnerungspolitischen Kämpfe sind. Mit den Impulsen von Hannah Peaceman (angefragt), Gamze Kubaşık, Ali Şirin und Aurora Rodonò können wir ein gemeinsames Verständnis darüber entwickeln, wo wir gegenwärtig mit unserer Erinnerungsarbeit stehen. Im Dialog mit den künstlerischen Beiträgen der Filmemacherin Claudia Tuyềt Scheffel und dem Leipziger MC Faeb (angefragt) wollen wir die Praktiken einer Gesellschaft der Vielen wirkmächtig entfalten.
Anschließend versammeln wir uns alle zu einer gemeinsamen Diskussion. Mit Annita Kalpaka, Aminata Cissé (angefragt) und Fatima Maged (angefragt) erweitern wir unser Verständnis, indem wir fragen, welche Lebens- und Widerstandsgeschichten (un)sichtbar und (un)erzählt bleiben. Die Bedeutung von Archiven, Geschichtsschreibungen und der politischen Bildungsarbeit soll dabei helfen, den Herausforderungen und Lücken der Erinnerungsarbeit zu begegnen.

Samstag, 14. September 2024     

Frühstück im Weltecho

Erkundungen
**09:30**, Treffpunkt: Weltecho, anschließend in die Stadt
Critical Walk – Eine Führung zum NSU-Komplex durch das ehemalige Fritz-Heckert-Stadtgebiet 
Der Critical Walk widmet sich der architektonischen, sozialen und politischen Geschichte des ehemaligen Fritz-Heckert-Gebiets im Süden von Chemnitz. Ein thematischer Schwerpunkt liegt auf dem Stadtteil als Wohnort, Vernetzungsraum und Tatort des NSU. Wir besuchen die konkreten Orte, an denen das NSU-Netzwerk lebte und Verbrechen beging, und nähern uns dabei den Fragen, wie das NSU-Netzwerk in Chemnitz verankert war und wie eine lokal verankerte Aufarbeitung aussehen kann.

**09:30**, Treffpunkt: Weltecho, anschließend in die Stadt
Pilot-Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Chemnitz
Im Gedenken an die Opfer des NSU-Komplexes wird im Jahr 2025, während der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, ein Pilot-Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex eröffnet. Wir möchten euch die Räume des zukünftigen Pilot-Dokumentationszentrums zeigen und das Konzept für diesen Ort vorstellen. Teil des Zentrums sind die Wanderausstellung *Offener Prozess*, Bildungs- und Vermittlungsangebote, ein Forschungsbereich, ein Archiv sowie ein Versammlungsort – die Assembly.

**09:30**, Weltecho
Führung durch die Satelliten der Ausstellung *Offener Prozess*
Die Ausstellung *Offener Prozess* widmet sich den Auswirkungen rassistischer und rechter Gewalttaten am Beispiel des NSU-Komplexes. Die Satelliten der Ausstellung, eine kleinere Variante der Gesamtausstellung, umfassen sieben Arbeiten, einen Chatbot (Messenger-Dienst) sowie den Zugriff auf die Inhalte der Webausstellung und eine interaktive Karte. Unter anderem sind Arbeiten von Želimir Žilnik, Harun Farocki, Thanh Nguyen Phuong, Sefa Defterli, belit sağ und Forensic Architecture vertreten. Sie beleuchten verschiedene Aspekte des NSU-Komplexes und verweisen auf die tiefgreifenden zeitlichen und räumlichen Dimensionen. Ziel ist es nicht, eine umfassende Einführung in den NSU-Komplex zu geben, sondern auf die Kontinuitäten von und den Widerstand gegen rassistische und rechte Gewalt hinzuweisen.

**ab 09:30**, Weltecho
Schaufensterprojekte
Das Projekt «Ver/sammeln antirassistischer Kämpfe» schafft ein offenes Archiv zu antirassistischer Widerstandsgeschichten in Ost- und Westdeutschland. Im Weltecho geben wir einen Einblick in das digitale sowie analoge Archiv anhand von sieben Projekten. Diese haben Bewegungsgeschichten und verschiedene antirassistische Kämpfe in Form von Büchern, Podcasts und Videoformaten aufgearbeitet. Die Akteur:innen aus unterschiedlichen Bewegungskontexten führten Gespräche mit Zeitzeug:innen, durchforsteten Archive und verknüpften ihre Erkenntnisse mit eigenen Erfahrungen, um diese weiter zu erarbeiten und aufzubereiten. Damit wirken sie einer Politik des Entnennens sowie Praktiken des Ignorierens und Schweigens entgegen, indem sie verschiedene Perspektiven auf vielfältigen Kämpfe zugänglich machen.
Die Recherchen widmen sich unterschiedlichen Bewegungsgeschichten:
– Queers of Color in Deutschland, Tarek Shukrallah
– Linke Afrikaner:innen in Hamburg, Josephine Akinyosoye & Johannes Tesfai
– jüdisch-queerfeministische Kämpfe und ihre Vernetzungen, Angelika Levi & Alisa Limorenko
– the Karawane Munich, Alice Hamdi & Mika Wodke
– migrantisch-antirassistische Feminismen, Annita Kalpaka, Brigitta Kuster, Efthimia Panagiotidis
– Viet-Deutsche Communities in Ostdeutschland, Vũ Vân Phạm & Trong Do Duc
– Angehörige und Betroffene der Opfer des NSU erzählen, Yasmin Dreessen. 
Besucher:innen können die Rechercheprozesse und Projekte in Form von Hörstationen, Archivmaterialien, Kurztexten und weiteren Formaten in den Räumlichkeiten des Weltechos erkunden.

**ab 09:30**, Weltecho
Ausstellung von Hami Wobowen und Ngoc Anh Pham

**12:30-13:30 Uhr**, Weltecho
Mittagessen

**13:30-15:30 Uhr & 16:00-17:30 Uhr**, Weltecho
Werkstatt 1: Archivpraktiken und Geschichtsschreibung
Die klassische und dominante Form des häufig staatlichen Archivs ist meist kein Ort, der antirassistischen Akteur:innen und ihren Kämpfen offensteht. Auch andere Gedächtnisinstitutionen ignorieren oft die Geschichtsschreibung einer Gesellschaft der Vielen. Antirassistische Kämpfe stellen daher immer wieder die Frage, wessen Stimmen gehört werden und wer die Geschichten schreiben kann. Diese Kämpfe manifestieren sich in vielfältigen Formen wie Plakaten, Flyern und selbstorganisierten Medien, die Fragmente einer langen und vielfältigen Geschichte schaffen und die Wirkmächtigkeit normativer Masternarrative stören.
Doch mit der Zeit gehen oft auch Erinnerungen und Kontexte verloren. Im Projekt „Ver/sammeln antirassistischer Kämpfe“ haben sich zahlreiche Aktivist:innen auf den Weg gemacht, um Zeitzeugnisse und Zeitzeug:innen zu finden und zu befragen. Sie schaffen Schaufenster in ein umfangreiches, jedoch wenig geteiltes Gedächtnis einer antirassistischen Allmende. Anhand von Archivalien, Archivprojekten und Geschichtsarbeiten werden wir queer-migrantische Kämpfe, die Organisierung linker Afrikaner:innen, migrantisch-antirassistische Feminismen und viet-deutschen Widerstand kennenlernen. Wir werden ganz praktisch über die Herausforderungen und die Freuden antirassistischer Archiv- und Geschichtspraxis sprechen – und vielleicht auch neue Archive gründen?
Mit Impulsen von Tarek Shukrallah, Women in Exile, Josy Akinyosoye, Johannes Tesfai, Andreas Charis, Annita Kalpaka, Van Vu Pham, Trong Do Duc
Workshopleitung: Lee Hielscher und Trong Do Duc
Organisiert durch: Ver/sammeln antirassistischer Kämpfe

**13:30-15:30 Uhr & 16:00-17:30 Uhr**, Weltecho
Werkstatt 2: Politische Bildungsarbeit in Betroffenenperspektiven
NSU, Hanau, Halle…– An allen Orten rassistischer Anschläge organisieren sich Betroffene, Angehörige und solidarische Initiativen. Sie halten die Erinnerung an die Opfer lebendig, leisten Trauerarbeit, geben der Wut Ausdruck und stellen Forderungen nach Anerkennung, Aufklärung, Gerechtigkeit und einem angemessenen Gedenken. Immer wieder erklären sie, wie institutioneller und alltäglicher Rassismus wirkt, wer Verantwortung für die Gewalt und die mangelnde Aufklärung trägt, und wie solidarisches Handeln ermöglicht und umgesetzt werden kann. Dennoch werden Betroffene gerade in der politischen Bildungsarbeit immer wieder auf die Rolle der Zeug:innenschaft reduziert, obwohl sie selbst Workshops, Panels und Bildungsmaterialien planen und durchführen und als politische Bildner:innen tätig sind.
Der Workshop geht den Fragen nach, wie diese (machtungleiche) Aufteilung aufgehoben und Betroffene, Angehörige sowie die mit ihnen verbundenen solidarischen Initiativen als entscheidende Akteur:innen der Bildung gestärkt werden können. Wie müssten gute solidarische Kooperationen aussehen, um auf Augenhöhe zwischen den Institutionen der politischen Bildung und den selbstverwalteten Strukturen zu arbeiten? Wie kann in der Partizipation Powersharing gelingen? Was sind die Bedarfe der Akteur:innen, um in ihrer Arbeit anerkannt und ernst genommen zu werden?
Der Workshop lädt engagierte Menschen und Initiativen ein, ihre Erfahrungen miteinander auszutauschen und voneinander zu lernen. Zudem sollen Formate der betroffenen-zentrierten Bildungsarbeit entwickelt werden.
Mit Impulsen von erinnerungspolitischen Initiativen und Bildner:innen.
Workshopleitung: Gamze Kubaşık und Ali Şirin
Organisiert durch: Rosa-Luxemburg-Stiftung und Offener Prozess

**17:45-19:00 Uhr**, Weltecho
Symbiose
Der Samstag begann mit ersten Erkundungen von Erinnerungspraktiken und bot Raum für intensiven Austausch in zwei Werkstätten. Nun wollen wir die vielfältigen Erfahrungen in einer Symbiose zusammenführen. Was nehmen wir mit? Was hat uns in Bewegung gesetzt? Welche Verbindungen haben wir zueinander kennengelernt? In einem Austauschformat teilen wir unsere Erlebnisse und Lernprozesse und erfahren von den Formaten und Akteur:innen, die wir bisher noch nicht kennenlernen konnten. Welche Fragen an antirassistische Zukünfte eröffnen sich hier? Wie können wir die Praktiken der Dominanzgesellschaft hinter uns lassen und eine Gesellschaft der Vielen praktisch werden lassen?

Sonntag, 15. September 2024     

**10:00-14:00 Uhr**, Weltecho
Brunch & Worldcafé
Bundesweite Föderation und der Aufruf für Zusammenschlüsse
Sonntag wird der Tag der Verabredungen und Zukunftsvisionen. Nach zwei Tagen Input und Austausch, geht es an diesem Tag um die bundesweite Föderationen und zukünftigen Zusammenschlüsse, in dem wir die Inhalte der letzten Tage zusammenbringen und Fäden zusammen spinnen.
Beim gemeinsamen Brunch sind Projekte und Arbeitsbereiche eingeladen sich im Worldcafé noch einmal vorzustellen und über gemeinsame Zukunftsperspektiven und Zusammenarbeit zu sprechen.
Beim gemeinsamen Brunch und im World Café sind Projekte und Arbeitsbereiche eingeladen sich noch einmal vorzustellen und über gemeinsame Zukunftsperspektiven und Zusammenarbeit zu sprechen.

**14:00 Uhr**, Weltecho
Gemeinsame Abreise zum Bahnhof

Standort

Kontakt

Dr. Massimo Perinelli

Referent für Migration, Rosa-Luxemburg-Stiftung

Telefon: +49 30 44310471